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| Quelle: Helmut Mühlbacher |
Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Geschichte von Dauna Easley
erzählen, die mir dankenswerterweise Simone Trautwein zur Verfügung gestellt
hat:
„Der beste Lehrer
meines Lebens“
Ich war seit fünfzehn Jahren Lehrerin, als ich meinem
größten Lehrer begegnete - nicht in einem Klassenzimmer, sondern in einem
Krankenhaus. Es war meine Tochter Kelsey.
Kelsey hatte von Geburt an eine spastische Lähmung infolge
einer Hirnschädigung und als sie fünf war, stand sie vor einer Schlacht gegen
den Krebs, die sie später gewann. Sie hat mich viele anschauliche Lektionen
über Mut und Entschlossenheit gelehrt, und letztendlich bin ich zu einem
besseren Menschen geworden, weil sie mit mir so viel Geduld hatte.
Als sie vier war, wollte sie lernen, ihre Schuhe so zu
binden wie ihre beste Freundin. Ich war sprachlos. Wegen der Lähmung konnte
Kelsey die Finger ihrer linken Hand kaum gebrauchen. Ich brachte es selbst
nicht fertig, mit einer Hand einen Knoten zu machen; wie sollte ich es da ihr
beibringen?
Nachdem Kelsey dreieinhalb Jahre geübt hatte, schaffte sie
es. Ich erinnere mich noch an jenen ersten Tag in den Sommerferien, als sie
siebeneinhalb war und ich sie beobachtete und ermunterte. Als sie ihre Hand
wegnahm und die zwei sauber geknoteten Schleifen zum Vorschein kamen, strahlte
sie von einem Ohr zum anderen, und ich weinte vor Freude. Niemand, hat sie je
gefragt, wie alt sie war, als sie lernte, sich die Schuhe zu binden. Von ihrer
Leistung habe ich etwas über Entschlossenheit gelernt - und vieles mehr.
Schnelligkeit spielte in Kelseys Leben nicht die Hauptrolle - am wichtigsten
war, dass sie ihre Ziele in ihrem eigenen Tempo erreichte.
Während ihrer ganzen Krebsbehandlung meisterte Kelsey ihr
Leben, indem sie kreativ spielte. Im Krankenhaus hieß das Spiel immer "Restaurant" - sie war die
Kellnerin, alle anderen die Kunden. Endlose Stunden verlor sie sich in diesem
Spiel, als wäre sie gar nicht im Krankenhaus, sondern draußen in der Welt, weit
weg von Ärzten und Untersuchungen; Kelsey war sicher, dass sie eines Tages zu
dieser Welt gehören würde.
Zu Hause, wo sie offenbar mehr Sicherheit für die
Beschäftigung mit tiefer gehenden Gefühlen fand, wurde das Spiel zu
"Krankenhaus". In diesem Spiel war Kelsey der leitende Arzt, der die
Dinge zum Besseren wendete. Sie gebrauchte in diesem Spiel medizinische
Begriffe, die noch nicht einmal wir Erwachsenen verstanden. Wir spielten
einfach mit, froh darüber, dass Kelsey einen Weg gefunden hatte, mit ihrer
Situation zurechtzukommen.
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| Quelle: Astrid Müller |
Als sie sechs war, wollte sie Ballettunterricht nehmen. Es
ist mir peinlich zuzugeben, wie sehr dieser Einfall mich erschreckte. Ihre
Muskeln waren wegen der Chemotherapie ziemlich schwach, ihr Gleichgewichtssinn
war schlecht, und ihr Gewicht war auf siebzehn Kilo heruntergegangen. Ich hatte
nicht nur Angst um ihren Körper, sondern auch um ihre Gefühle. Sie hatte in
dieser Hinsicht keine Angst. Weil sie eine Augenbinde trug, fürchtete ich, der
Rest der Ballettklasse würde sich über sie lustig machen. Aber ich wusste nicht,
wie ich Kelsey all das sagen sollte, und sie würde sowieso keine Ruhe geben;
also meldete ich sie in einer Ballettschule an.
Kelsey tanzte mit Hingabe! Fiel sie hin? Natürlich. War sie
unbeholfen? Sehr. Aber sie war nie befangen oder gehemmt, sie stürzte sich voll
in die Sache hinein und war völlig unbeeindruckt von dem, was sie nicht konnte.
Die bloße Freude am Tanzen war genug. Jeder, der Kelsey tanzen sah, ging mit
etwas Besonderem weg. Sie tanzte vier Jahre lang. Sie hörte nur auf, um zu
verkünden, dass sie stattdessen lieber Reitunterricht nehmen würde. Diesmal
meldete ich sie an, ohne zu zögern.
In der fünften Klasse brachte Kelsey aufgeregt ein
Anmeldeformular für Hallen-Basketball mit nach Hause. Das war für sie wirklich
eine ziemliche Herausforderung. Sie konnte nur langsam laufen, sie war klein,
und sie konnte immer noch lediglich eine Hand benutzen. Wieder läuteten in
meinem Kopf alle Alarmglocken, aber ich hatte gelernt, sie zu ignorieren. Die
Begeisterung in ihren Augen glich ganz entschieden alle Hindernisse aus, und
wir meldeten sie an.
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| Quelle: Astrid Müller |
Nach dem ersten Training meinte der Trainer, er habe Angst,
sie in einem Spiel einzusetzen. Als er erklärte, wie sie sich verletzen könnte,
sah ich schon die Gerichtsprozesse, die in seinem Kopf herumschwirrten. Ich
versuchte, ihn mit dem Hinweis zu überzeugen, dass jedes Kind, das Sport
treibt, Risiken eingeht, und selbst wenn das Risiko bei ihr vielleicht größer
war, würde es doch von ihrem Bedürfnis übertroffen, dazuzugehören. Nach ein
paar Diskussionen und weiterem guten Zureden beschoss er, sie spielen zu
lassen.
Zwei Jahre lang strengte Kelsey sich mehr an als alle
anderen Mädchen in der Liga. Und obwohl sie bei einem Spiel nie einen Treffer
machte, brachte sie andere Talente mit, die für ihre Mannschaft noch wertvoller
waren. Im Verlauf der zwei Jahre habe ich keine einzige Spielerin gesehen, die
sie als etwas anderes als einen Gewinn behandelte. Und als Kelsey nach
wochenlangem Üben bei einem Training schließlich ihren ersten Treffer landete,
blieben alle Mädchen auf dem Spielfeld - von beiden Mannschaften - stehen und
applaudierten.
Wenn wir an Spieltagen am Lebensmittelladen stoppten, zog
Kelsey schnell ihren Wintermantel aus und warf ihn in den Einkaufswagen. Es
dauerte eine Weile, bis ich den Grund dafür begriff. Sie war so stolz auf ihr
Trikot, dass sie nicht wollte, dass es unbemerkt blieb. Jetzt hatte sie nicht
mehr nur ihre persönlichen Triumphe, sie gehörte außerdem zu einem Team.
Heute ist Kelsey ein glückliches, gesundes Mädchen in der
siebten Klasse; immer noch nimmt sie das Leben begierig in sich auf, versucht
sich an neuen Herausforderungen und bringt ihren Freunden und ihren Eltern
weiterhin viel über Ausdauer, die Kraft des Glaubens und Mitgefühl bei.
Ich werde nie einen größeren Lehrer haben als dich Kelsey.“
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| www.wlsb.de |
Ihr Lieben,
als ich in den 1970er und 1980er Jahren in Göttingen als
Dozent an der Universität arbeitete, trainierte ich in meiner Freizeit zwei
Handballjugendmannschaften.
Eines Tages besuchte mich der Vater eines Jugendlichen, der unbedingt
in einer meiner Jugendmannschaften Handball spielen wollte. Der Vater erzählte
mir, dass sein Sohn behindert sei, da er unter starken spastischen Lähmungen
leiden würde. Er hätte bereits bei vier Vereinen angefragt, aber alle hätten
die Trainingsteilnahme seines Sohnes abgelehnt. Ich sei seine letzte Hoffnung.
Um den Jugendlichen kennenzulernen, besuchte ich einen Tag
später die Familie.
Dieser Junge, der 14 Jahre alt war und Heiko hieß, konnte keine drei Meter weit laufen, er redete kein Wort mit mir, aber er hörte genau zu, was seine Eltern mit mir beredeten.als ich mich verabschiedete, tat er etwas, was er, wie seine Eltern mir später erzählten, noch nie zuvor bei einem Menschen außerhalb seiner Familie getan hatte: Er begleitete mich zur Tür und verabschiedete sich stumm mit einem Händedruck und einem strahlenden Lächeln.
Dieser Junge, der 14 Jahre alt war und Heiko hieß, konnte keine drei Meter weit laufen, er redete kein Wort mit mir, aber er hörte genau zu, was seine Eltern mit mir beredeten.als ich mich verabschiedete, tat er etwas, was er, wie seine Eltern mir später erzählten, noch nie zuvor bei einem Menschen außerhalb seiner Familie getan hatte: Er begleitete mich zur Tür und verabschiedete sich stumm mit einem Händedruck und einem strahlenden Lächeln.
Ich habe mich dann bereit erklärt, Heiko in einer meiner
Jugendmannschaften spielen zu lassen.
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| Handballnationalmannschaft www.dhb.de |
Mir erging es wie der Mutter in unserer heutigen Geschichte:
Heiko war ein sehr warmherziger Junge, es machte einfach Freude, ihn zu trainieren.
Er strengte sich im Training an wie kein Zweiter und er war mehr als glücklich, als er das erste Mal in einem Spiel mitwirken durfte.
Heiko war ein sehr warmherziger Junge, es machte einfach Freude, ihn zu trainieren.
Er strengte sich im Training an wie kein Zweiter und er war mehr als glücklich, als er das erste Mal in einem Spiel mitwirken durfte.
Die Mannschaft, in der er damals spielte, hatte Heiko bald
durch seine freundliche Art ganz für sich gewonnen. Alle beeindruckte sein
Einsatzwillen und sein unermüdliches Immer-Wieder-Aufstehen, wenn er
hingefallen war.
Wenn die Spieler anderer Mannschaften aufgrund seiner
unbeholfenen Bewegungen über ihn lachten, entwaffnete er sie mit einem
strahlenden Lächeln.
Heiko hat nach zwei Jahren richtig gut Handball gespielt.
Wenn
man davon ausgeht, welche eingeschränkten Möglichkeiten er hatte,
spielte er
fast weltmeisterlich.
Und das habe ich von ihm gelernt:
Er setzte sich mit ganzem Herzen für das ein, was er unbedingt erreichen wollte.
Er fiel immer wieder hin, er stand aber immer wieder auf.
Er gab niemals auf.
Er setzte sich mit ganzem Herzen für das ein, was er unbedingt erreichen wollte.
Er fiel immer wieder hin, er stand aber immer wieder auf.
Er gab niemals auf.
Wenn andere Menschen über ihn lachten und versuchten, ihn zu entmutigen, dann ließ er sich nicht beirren. Er nahm dann das Ziel noch klarer in den Blick und war erfüllt von Begeisterung.
Er nahm sich die Zeit, die er brauchte, um sein Ziel zu erreichen.
Er isolierte sich nicht, sondern er suchte die Unterstützung eines Teams und er zahlte die Unterstützung durch seine liebevolle Art zurück.
Die Namen vieler Handballjugendlichen, die bei mir trainiert haben, habe ich
vergessen, Heiko aber wird immer in meinem Herzen bleiben:
Er hatte den Körper eines Behinderten,
aber das Herz eines Löwen!
Er hatte den Körper eines Behinderten,
aber das Herz eines Löwen!
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch eine mutige, eine zuversichtliche Woche und
dass es Euch gelingen möchte, nicht aufzugeben, was Eure inneren Bedürfnisse
und Wünsche betrifft. Ich wünsche Euch ganz viel Kraft, ganz viel Freude und
ganz viel Durchhaltevermögen
Ganz liebe Grüße aus Bremen
Euer fröhlicher Werner
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| Quelle: Helmut Mühlbacher |









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