"Willst Du, dass in Dir das Feuer der Hölle brennt, dann beschreite den Weg der Rache. Willst Du, dass sich in Dir der Friede des Himmels ausbreitet, dann beschreite den Weg der Versöhnung."
Alexander Rykow
Ihr Lieben,
heute möchte ich eine Geschichte von Patricia St. John erzählen.
Eine ähnliche Geschichte habe ich schon erzählt, aber diese Geschichte mag ich auch sehr.
"Das weiße Taschentuch"
"Der Mann saß auf dem Gehsteig neben der Bushaltestelle und starrte zu Boden. Ein paar Leute musterten ihn im Vorübergehen neugierig und fragten sich, was das wohl für einer sein möchte, der Landstreicher mit den hängenden Schultern und den durchgelaufenen Schuhen.
Er aber bemerkte ihre Blicke gar nicht. Er war ganz in Gedanken versunken. Hier, in dieser Stadthatte er seine Kindheit verbracht.
Vor mehr als zwanzig Jahren war er in einem kleinen roten Ziegelhaus am Ende der nächsten Straße aufgewachsen. Ob es überhaupt noch stand?
Vielleicht war es ja inzwischen abgerissen worden! Hoffentlich hatten sie wenigstens die Stiefmütterchen nicht zertrampelt!
Komisch, wie gut er sich noch an die Stiefmütterchen erinnerte und an die Schaukel, die ihm sein Vater gebaut hatte, und an den Gartenweg, auf dem er das Fahrradfahren gelernt hatte.
Monatelang hatten die Eltern gespart, um ihm das Fahrrad zu kaufen.
Zehn Jahre später war aus dem Fahrrad ein Motorrad geworden. Er selbst ließ sich zu Hause immer seltener blicken. Er verdiente gut und hatte eine Menge Freunde. Vater und Mutter erschienen schrecklich altmodisch und langweilig. Da war es in den Kneipen und Discos doch lustiger!
Heute erinnerte er sich nicht mehr gern an diese Zeit, vor allem nicht daran, wie ihm die Schulden über den Kopf gewachsen waren, und er an einem Sonntagnachmittag bei den Eltern aufgetaucht war, um sie um Geld zu bitten. Sie hatten sich so über seinen unerwarteten
Besuch gefreut, dass er es nicht übers Herz brachte, sie um Geld zu bitten.
Doch er wusste genau, wo sein Vater das Portemonnaie aufbewahrte, und als die Eltern dann für einen Augenblick in den Garten gingen, hatte er sich einfach “bedient”.
Seither hatte er sie nicht mehr gesehen. Er traute sich nach dem, was er getan hatte, nicht mehr nach Hause; und die Eltern hatten jede Spur von ihm verloren.
Er war ins Ausland gegangen, und sie erfuhren nichts von seinem rastlosen Umherziehen und auch nichts von seinem Gefängnisaufenthalt. Doch dort, in seiner Zelle, hatte er viel an sie gedacht.
Manchmal,wenn er sich schlaflos auf seiner Pritsche umherwälzte und der Mond unheimliche Figuren auf die Zellenwand malte, wünschte er sich:
“Wenn ich erst wieder aus diesem Loch heraus bin,möchte ich sie noch einmal sehen - wenn sie überhaupt noch leben - und wenn sie mich sehen
wollen.”
Als er seine Strafe abgesessen hatte, fand er in der Großstadt eine Arbeitsstelle; aber Ruhe fand er nicht. Irgendetwas zog ihn heim, eine Sehnsucht, die sich nicht zum Schweigen bringen ließ. Auf Schritt und Tritt wurde er an das kleine rote Backsteinhaus erinnert, an das Beet mit den Stiefmütterchen, an ein Kind auf einer Schaukel, an einen Jungen, der von der Schule nach Hause rannte...
Er wollte nicht völlig mittellos daheim ankommen, und so legte er einen großen Teil der Reise zu Fuß oder per Anhalter zurück. Er hätte schon längst da sein können, aber dreißig Kilometer vor dem Ziel waren ihm plötzlich Zweifel gekommen.
Was hatte er überhaupt für ein Recht, einfach so bei den Eltern hereinzuspazieren? Würden sie in dem heruntergekommenen Kerl, der er geworden war, überhaupt den Jungen erkennen, den sie geliebt hatten und der sie so schrecklich enttäuscht hatte?
Er kaufte sich etwas zu essen und setzte sich unter einen Baum, wo er für den Rest des Tages sitzen blieb. Der Brief, den er am Abend in den Briefkasten einwarf, war sehr kurz, aber er hatte sich stundenlang damit abgemüht.
Er endete mit den Worten: “Ich weiß, es ist verrückt anzunehmen, dass Ihr mich überhaupt noch einmal sehen wollt. Aber entscheidet selbst.
Ich werde früh am Donnerstagmorgen ans Ende unserer Straße kommen. Wenn Ihr mich zu Hause haben wollt, hängt ein weißes Taschentuch ins Fenster meines alten Zimmers. Wenn ich es dort sehe, werde ich zu Euch kommen; wenn nicht, werde ich dem alten Haus noch einmal zuwinken und mich wieder davonmachen.”Er aber bemerkte ihre Blicke gar nicht. Er war ganz in Gedanken versunken. Hier, in dieser Stadthatte er seine Kindheit verbracht.
Vor mehr als zwanzig Jahren war er in einem kleinen roten Ziegelhaus am Ende der nächsten Straße aufgewachsen. Ob es überhaupt noch stand?
Vielleicht war es ja inzwischen abgerissen worden! Hoffentlich hatten sie wenigstens die Stiefmütterchen nicht zertrampelt!
Komisch, wie gut er sich noch an die Stiefmütterchen erinnerte und an die Schaukel, die ihm sein Vater gebaut hatte, und an den Gartenweg, auf dem er das Fahrradfahren gelernt hatte.
Monatelang hatten die Eltern gespart, um ihm das Fahrrad zu kaufen.
Zehn Jahre später war aus dem Fahrrad ein Motorrad geworden. Er selbst ließ sich zu Hause immer seltener blicken. Er verdiente gut und hatte eine Menge Freunde. Vater und Mutter erschienen schrecklich altmodisch und langweilig. Da war es in den Kneipen und Discos doch lustiger!
Heute erinnerte er sich nicht mehr gern an diese Zeit, vor allem nicht daran, wie ihm die Schulden über den Kopf gewachsen waren, und er an einem Sonntagnachmittag bei den Eltern aufgetaucht war, um sie um Geld zu bitten. Sie hatten sich so über seinen unerwarteten
Besuch gefreut, dass er es nicht übers Herz brachte, sie um Geld zu bitten.
Doch er wusste genau, wo sein Vater das Portemonnaie aufbewahrte, und als die Eltern dann für einen Augenblick in den Garten gingen, hatte er sich einfach “bedient”.
Seither hatte er sie nicht mehr gesehen. Er traute sich nach dem, was er getan hatte, nicht mehr nach Hause; und die Eltern hatten jede Spur von ihm verloren.
Er war ins Ausland gegangen, und sie erfuhren nichts von seinem rastlosen Umherziehen und auch nichts von seinem Gefängnisaufenthalt. Doch dort, in seiner Zelle, hatte er viel an sie gedacht.
Manchmal,wenn er sich schlaflos auf seiner Pritsche umherwälzte und der Mond unheimliche Figuren auf die Zellenwand malte, wünschte er sich:
“Wenn ich erst wieder aus diesem Loch heraus bin,möchte ich sie noch einmal sehen - wenn sie überhaupt noch leben - und wenn sie mich sehen
wollen.”
Als er seine Strafe abgesessen hatte, fand er in der Großstadt eine Arbeitsstelle; aber Ruhe fand er nicht. Irgendetwas zog ihn heim, eine Sehnsucht, die sich nicht zum Schweigen bringen ließ. Auf Schritt und Tritt wurde er an das kleine rote Backsteinhaus erinnert, an das Beet mit den Stiefmütterchen, an ein Kind auf einer Schaukel, an einen Jungen, der von der Schule nach Hause rannte...
Er wollte nicht völlig mittellos daheim ankommen, und so legte er einen großen Teil der Reise zu Fuß oder per Anhalter zurück. Er hätte schon längst da sein können, aber dreißig Kilometer vor dem Ziel waren ihm plötzlich Zweifel gekommen.
Was hatte er überhaupt für ein Recht, einfach so bei den Eltern hereinzuspazieren? Würden sie in dem heruntergekommenen Kerl, der er geworden war, überhaupt den Jungen erkennen, den sie geliebt hatten und der sie so schrecklich enttäuscht hatte?
Er kaufte sich etwas zu essen und setzte sich unter einen Baum, wo er für den Rest des Tages sitzen blieb. Der Brief, den er am Abend in den Briefkasten einwarf, war sehr kurz, aber er hatte sich stundenlang damit abgemüht.
Er endete mit den Worten: “Ich weiß, es ist verrückt anzunehmen, dass Ihr mich überhaupt noch einmal sehen wollt. Aber entscheidet selbst.
Und nun war der Donnerstagmorgen da. Der Anfang der Straße war gleich um die Ecke. Dieses Haus gab es jedenfalls noch!
Auf einmal hatte der Mann es nicht mehr eilig! Er setzte sich einfach auf den Gehsteig und starrte die Steine an. Ewig konnte er den Augenblick der Wahrheit natürlich nicht hinauszögern.
Vielleicht waren die Eltern inzwischen ausgezogen? Wenn kein Taschentuch da war, wollte er wenigstens ein paar Erkundigungen in der Stadt einziehen, ehe er sich wieder auf den Weg machte. Er wagte gar nicht daran zu denken, was er tun sollte, wenn seine Eltern zwar noch dort wohnten, ihn aber nicht mehr sehen wollten.
Mühsam und mit schmerzenden Gliedern erhob er sich. Er war steif vom Übernachten im Freien, und die Straße lag noch im Schatten. Mit unsicheren Schritten wankte er zu der alten Platane hinüber, von der aus, das wusste er, das Backsteinhaus deutlich zu sehen sein würde.
Bis dahin hielt er den Blick zu Boden gesenkt.
Auf einmal hatte der Mann es nicht mehr eilig! Er setzte sich einfach auf den Gehsteig und starrte die Steine an. Ewig konnte er den Augenblick der Wahrheit natürlich nicht hinauszögern.
Vielleicht waren die Eltern inzwischen ausgezogen? Wenn kein Taschentuch da war, wollte er wenigstens ein paar Erkundigungen in der Stadt einziehen, ehe er sich wieder auf den Weg machte. Er wagte gar nicht daran zu denken, was er tun sollte, wenn seine Eltern zwar noch dort wohnten, ihn aber nicht mehr sehen wollten.
Mühsam und mit schmerzenden Gliedern erhob er sich. Er war steif vom Übernachten im Freien, und die Straße lag noch im Schatten. Mit unsicheren Schritten wankte er zu der alten Platane hinüber, von der aus, das wusste er, das Backsteinhaus deutlich zu sehen sein würde.
Bis dahin hielt er den Blick zu Boden gesenkt.
Mit fest zusammengekniffenen Augen stand er ein paar Augenblicke unter den Ästen des Baumes. Dann holte er tief Luft und wagte den Blick zum anderen Ende der Straße hinüber.
Und dann stand er da und starrte und starrte...
Das kleine Backsteinhaus wurde bereits von der Sonne beschienen -
aber es war kein kleines rotes Backsteinhaus mehr.
Aus allen Fenstern hingen Betttücher und Kissenbezüge, Handtücher und Tischdecken, Taschentücher und Servietten und aus dem Dachfenster
flatterte eine große weiße Gardine quer über das ganze Dach.
Rotes Backsteinhaus? Ein Schneehaus, das da in der Sonne glänzte!
Der Mann warf den Kopf zurück und stieß einen Freudenschrei aus.
Dann rannte er über die Straße und durch die weit geöffnete Haustür direkt in sein Elternhaus hinein."
Und dann stand er da und starrte und starrte...
Das kleine Backsteinhaus wurde bereits von der Sonne beschienen -
aber es war kein kleines rotes Backsteinhaus mehr.
Aus allen Fenstern hingen Betttücher und Kissenbezüge, Handtücher und Tischdecken, Taschentücher und Servietten und aus dem Dachfenster
flatterte eine große weiße Gardine quer über das ganze Dach.
Rotes Backsteinhaus? Ein Schneehaus, das da in der Sonne glänzte!
Der Mann warf den Kopf zurück und stieß einen Freudenschrei aus.
Dann rannte er über die Straße und durch die weit geöffnete Haustür direkt in sein Elternhaus hinein."
Ihr Lieben,
wie die Meisten von Euch wissen, "verbirgt" sich hinter dem ESELSKIND meine eigene Person. Wenn ich mich heute so für Kinder und Jugendliche engagiere, damit diese nicht das Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden, so tue ich das vor allem, weil ich selber in meiner Kindheit und Jugend ein Übermaß an Gewalt und sexuellem Missbrauch erlebt und durchlitten habe.
Von daher gibt es für mich nichts Schützenswerteres auf der Welt als Kinder und Jugendliche.
Ich werde oft gefragt, auch von lieben Menschen auf Facebook, ob ich mich an den Tätern gerächt habe, ob ich dafür gesorgt habe, dass die Täter zur Verantwortung gezogen wurden.
Ich muss zugeben, das war mir nie wichtig.
Ich habe viele der Täter als Erwachsener wiedergetroffen und mit ihnen gesprochen. Ich wollte verstehen, warum sie das getan hatten, was sie mir angetan hatten.
Vor allem aber war es mir wichtig, mich mit den Tätern auszusöhnen, wenn dieser Wunsch auf Seiten der Täter vorhanden war.
Mancher mag das vielleicht nicht verstehen.
Aber ich kann jedem von Euch nur empfehlen, diesen Weg zu gehen.
Der Weg der Rache, der Bestrafung bringt nur eine kurzfristige innere Befriedigung.
-- Damit wir uns nicht missverstehen, ich bin nicht dafür, dass Menschen, die Kindern und Jugendlichen Schreckliches angetan haben, ohne Strafe davonkommen sollen, aber das ist die Sache der staatlichen Gerichte. --
Mir geht es darum, wie man als Opfer persönlich mit der Tat und dem Täter umgeht.
Und da war mir der Papst Johannes Paul II. stets ein ganz großes Vorbild.
Als er Papst war, wurde auf ihn ein Attentat verübt und der Täter wurde verurteilt.
Der Papst ließ es sich aber nicht nehmen, den Täter in seiner Gefängniszelle zu besuchen und ihm zu verzeihen.
So ist es auch mir ergangen, ich habe mich mit allen Haupttätern ausgesöhnt.
So ist es auch mir ergangen, ich habe mich mit allen Haupttätern ausgesöhnt.
Ich berührte wie in unserer Geschichte das Herz der Täter, indem ich die Bereitschaft zur Versöhnung zeigte.
Das Wunderbare an der Versöhnung aber ist:
Wir werden frei von dem, was uns angetan wurde. Wir können es zwar niemals vergessen, aber wir lassen es hinter uns, wir schreiten befreit in die Zukunft, weil das Geschehene keinen negativen Einfluss mehr auf unser heutiges Leben ausüben kann.
Wir werden frei von dem, was uns angetan wurde. Wir können es zwar niemals vergessen, aber wir lassen es hinter uns, wir schreiten befreit in die Zukunft, weil das Geschehene keinen negativen Einfluss mehr auf unser heutiges Leben ausüben kann.
Wir vergeben nicht nur dem Täter, sondern wir verhindern auch, dass die Gedanken der Rache und des Grolls uns innerlich zerfressen.
Durch die Vergebung werden wir selbst heil an Leib und Seele.
Deshalb, Ihr Lieben, lasst uns viele Taschentücher in die Fenster hängen oder bunte Bänder in die Bäume und lasst uns die Vergangenheit bewältigen, indem wir uns mit den Menschen verwöhnen, die uns in der Vergangenheit, besonders in Kindheit und Jugend, Böses angetan haben.
Ich wünsche Euch heute einen Tag der Versöhnung, der guten Gedanken, einen Tag der Fröhlichkeit und der Hoffnung
Euer Brückenbauer Werner aus Bremen
| Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt |
Vergeben kann man immer aber nicht vergessen.
AntwortenLöschenUnd man kann sich vorbereiten und wappen, damit man gar nie mehr vergeben muss.