Ansprache einer Kerze

                                             

Ansprache einer Kerze

Es gibt zwei Möglichkeiten für mich:

Entweder, ich bleibe ganz und unversehrt im Karton – dann werde ich nicht kürzer, dann geht mir überhaupt nichts ab -, aber dann weiß ich nicht, was ich eigentlich soll; oder ich gebe Licht und Wärme – dann weiß ich, wofür ich da bin. Dann muß ich aber erst etwas geben dafür, von mir selbst, mich selber. Das ist schöner, als kalt und sinnlos im Karton.

So ist das auch bei Euch Menschen.

Entweder Ihr bleibt bei Euch – dann passiert Euch nichts, dann geht Euch nichts ab -, aber dann wißt Ihr eigentlich auch nicht so recht, warum. Dann seid Ihr wie die Kerzen im Karton. Oder Ihr gebt Licht und Wärme. Dann habt Ihr einen Sinn. Dann freuen sich die Menschen, dass es Euch gibt. Dann seid Ihr nicht vergebens da.

Aber dafür müsst Ihr etwas geben, von Euch selbst, von allem, was in Euch lebendig ist; von Eurer Freude, Eurer Herzlichkeit, von Eurer Treue, Euerm Lachen, von Eurer Traurigkeit, von Euern Ängsten, von Euern Sehnsüchten, von allem, was in Euch ist.

Ihr braucht keine Angst zu haben, wenn Ihr dabei kürzer werdet. Das ist nur äußerlich. Innen werdet Ihr immer heller.

Denkt ruhig daran, wenn Ihr eine brennende Kerze seht, denn so eine Kerze seid Ihr selber.

Ich bin nur eine kleine, einzelne Kerze. Wenn ich alleine brenne, ist mein Licht nicht groß, und die Wärme, die ich gebe, ist gering. Ich alleine – das ist nicht viel. 

Aber mit allen anderen zusammen ist das Licht groß und die Wärme stark.

Bei Euch Menschen ist das genauso. Einzeln, für Euch genommen, ist Euer Licht nicht gewaltig und die Wärme klein. 

Aber zusammen mit anderen, da seid Ihr viel. Licht ist ansteckend!

(H.A. Höntgens)

Foto zur Verfügung gestellt von Karin Heringshausen