3080 Geschichten


Auf dem ESELSKIND-Blog stehen inzwischen 3.087 Geschichten und zwei Mal in der Woche kommen weitere hinzu.

Ich wünsche jeder Leserin und jedem Leser recht viel Freude beim Lesen der Geschichten und ich hoffe, dass Euch die Geschichten ein wenig ermutigen und Euch veranlassen, niemals aufzugeben, denn denkt bitte immer daran:
Ihr seid etwas Besonderes, Ihr müsst nur Eurer Licht zum Leuchten bringen


Euer fröhlicher Werner aus Bremen

Dienstag, 5. Oktober 2010

Traurigsein und Nicht Aufgeben schließen sich nicht aus!

"WENN ICH EINE SITUATION NICHT ÄNDERN KANN, DANN MUSS ICH MEINE SICHTWEISE ÄNDERN."
LICHTENBERG


Ihr Lieben,

einige uns Euch haben in diesen Tagen den Eindruck auf mich gemacht, dass sie recht traurig sind. Deshalb möchte ich heute eine Geschichte erzählen, die ich schon vor längerer Zeit einmal erzählt habe.


"DIE TRAURIGKEIT"

Es war eine kleine Frau, die einen staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.

Bei der zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub auf dem Wege saß, schien fast körperlos. Sie erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.

Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?" Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und leise, dass sie kaum zu hören war.

"Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte grüßen. "Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit mißtrauisch.

"Natürlich kenne ich dich! Immer wieder hast du mich ein Stück des Weges begleitet." "Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"

"Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtling einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?"

"Ich... bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme.

"Die kleine alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt."

Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht. "Ach, weißt du", begann sie zögernd und äußerst verwundert, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest."

Die Traurigkeit schluckte schwer.
"Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen.
Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot.
Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muß sich nur zusammenreißen. Und spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken.
Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe.
Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."

"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet."

Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf, wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, daß ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlte, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.

"Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber ... aber - wer bist eigentlich du?" "Ich?" sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. "Ich bin die Hoffnung."




Ihr Lieben,

dies ist eine wunderbare Geschichte, weil sie so ehrlich ist.
Ich habe in meinem Bekanntenkreis Menschen, die haben versucht, ihre Traurigkeit, die sie verspürten, dadurch zu verscheuchen, dass sie sich jeden Morgen eingeredet haben: "Es geht mir von Tag zu Tag besser". Merkwürdigerweise ging es ihnen aber nicht besser, sondern schlechter.

Damit wir uns nicht missverstehen, ich bin auch für positives Denken, ich bin auch dafür, niemals aufzugeben. Ebenso wichtig aber ist es auch, zu gewissen Zeiten die Traurigkeit zuzulassen, wenn wir einen Verlust, eine Enttäuschung oder Ähnliches erlitten haben. Es ist besser, in manchen Augenblicken zu weinen, als sich "zusammenzureißen" und ein Magengeschür zu bekommen.

Wichtig ist aber auch, dass wir erkennen, dass uns im Augenblick des Verlustes und der Enttäuschung nicht nur die Traurigkeit begleitet, sondern auch die Hoffnung.

In aller Traurigkeit dürfen wir wissen, dass es immer Hoffnung gibt, dass sich die Dinge im Leben wieder zum Guten wenden.

Als ich in meiner Kindheit sehr schreckliche Dinge erlebte, hat meine Oma mich immer mit dem Satz getröstet: "Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her."

Ich gebe zu, als meine Oma mir diesen Satz immer wieder gesagt hat, glaubte ich, nie wieder fröhlich werden zu können und heute bin ich als ein sehr fröhlicher Mensch bekannt.


Ihr Lieben,

Niemals aufzugeben, bedeutet also nicht, den Verlust zu verleugnen oder die schwere Situation, in der man sich befindet, schön zu reden.

Niemals aufzugeben, bedeutet, auch einmal traurig sein zu dürfen, aber sich dann wieder dem Leben zuzuwenden und langsam, Schritt für Schritt, begleitet von der Hoffnung, dem Licht entgegenzugehen.

Ich wünsche Euch heute ganz viel Hoffnung, noch mehr Zuversicht und ganz, ganz viel Mut

Ganz liebe Grüße Euer fröhlicher Werner vom Weserstrand

                                                                 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen