„Oft Missbrauch in Familien“
Bremerhaven. Eltern sollten ihre Kinder stärken und zu selbstbewussten Menschen erziehen, sagt die Diplom-Pädagogin und Autorin Gisela Braun. Dies senke das Risiko, sexuell missbraucht zu werden. Am 25. November ist die Präventions-Expertin in Bremerhaven zu Gast. Mit ihr sprach unsere Redakteurin Denise von der Ahé.„Wir müssen die Sprachlosigkeit überwinden“: Gisela Braun hält am Donnerstag einen Vortrag über sexuellen Missbrauch.
Die polizeiliche Kriminalstatistik umfasst nur die angezeigten Fälle. Das sind bundesweit pro Jahr etwa 16 000. Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus höher.
Man geht davon aus, dass jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder neunte bis zwölfte Junge betroffen ist. Neu ist die Aufdeckung in Institutionen, nicht jedoch der sexuelle Missbrauch als solcher.
Wer sind die Täter?
Sexualisierte Gewalt findet häufig in der Familie oder im sozialen Umfeld statt, zum Beispiel dort, wo es um Betreuung geht. Fremdtäter sind eher die Ausnahme.Für viele Mädchen und Jungen gehört sexueller Missbrauch zum Lebensalltag. Betroffen sind oft sehr kleine Kinder und das über lange Zeit. Kinder werden zugunsten von Machtinteressen Erwachsener ausgebeutet.
Ist das Zölibat der Grund für den Missbrauch in der katholischen Kirche?
Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Beim sexuellen Missbrauch geht es um Macht und Gewalt, nicht um unerfüllte Sexualität. Er passiert nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in anderen Institutionen. Er geschieht genauso in der evangelischen Kirche, in anderen Glaubensgemeinschaften, in Vereinen, Verbänden und in der Kinder- und Jugendarbeit.
Wie können Eltern verhindern, dass ihr Kind sexuell missbraucht wird?
Eltern sollten ihre Kinder stärken und zu selbstbewussten Menschen erziehen. Kinder sollten lernen, dass sie über ihren Körper selbst bestimmen dürfen. Wer also eine Zärtlichkeit von der Oma nicht wünscht, darf auch Nein sagen. Kindern müssen zwischen guten und schlechten Gefühlen unterscheiden können. Wichtig ist auch eine gute Kommunikation zwischen Eltern und Kindern.
Welche Opfer suchen sich die Täter aus?
Täter suchen sich oft Kinder aus, die die bequemeren Opfer zu sein scheinen. Das Risiko für sexuellen Missbrauch wird geringer, wenn ein Kind weiß: Ich bin etwas wert.Zwar wehren sich Kinder nicht körperlich, aber sie öffnen sich dann schneller und erzählen Eltern oder der Lehrerin, was passiert ist.
Wir Erwachsene haben dann die Verantwortung, dem Kind zu helfen.
Wo kann Prävention ansetzen?
Wir müssen die Sprachlosigkeit überwinden. Das Thema gehört in Kindergärten und Schulen.Dann besteht die Chance, dass missbrauchte Kinder leichter reden, weil sie merken: Stimmt, mich darf niemand anfassen. Zudem gibt es Selbstsicherheitstrainings an Schulen sowie spezielle Theaterstücke oder Lieder für Kinder. Prävention ist eine Art Netzwerk, das Kinder auffangen muss.
Was sind die Folgen sexuellen Missbrauchs?
Die Folgen können eine Traumatisierung oder Schlaflosigkeit sein. Manche Kinder werden aggressiv oder entwickeln eine unheimliche Lebensenergie. Es gibt jedoch keine hundertprozentig eindeutigen Signale. Wenn sich ein Kind mitteilt, sollten Eltern ruhig bleiben und Hilfe bei einer Fachberatungsstelle suchen.Vortrag „Missbrauch“
Gisela Braun (53) kommt am 25. November zum 20-jährigen Jubiläum des Arbeitskreises „Gegen sexuelle Gewalt an Kindern“ nach Bremerhaven. Im Rahmen der Festveranstaltung ab 15 Uhr im Timeport II hält sie einen Vortrag zum Thema „Sexueller Missbrauch in Institutionen und Präventionsmaßnahmen“. Die Diplom-Pädagogin arbeitet bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und ist Autorin von Fach- und Kinderbüchern. Ihr Elternratgeber „Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen – Ratgeber für Mütter und Väter“ kann unter www.ajs.nrw.de bestellt werden. Er kostet zwei Euro.Quelle: Nordsee-Zeitung 23.11.2010

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