„ES ENTSPRICHT EINEM LEBENSGESETZ:
WENN SICH EINE TÜR VOR UNS SCHLIEßT, ÖFFNET SICH EINE ANDERE.
DIE TRAGIK IST, DASS MAN AUF DIE GESCHLOSSENE TÜR BLICKT UND DIE GEÖFFNETE NICHT BEACHTET."
ANDRE GIDE
Ihr Lieben, heute möchte ich Euch eine Geschichte von Lydia Gehring erzählen, die sehr dafür geeignet ist, dass Ihr sie Euren Kindern und Enkelkindern vorlesen könnt:
"DAS DICKKÖPFIGE NASHORN"
"Jeden Tag ging ein Nashorn in der Abenddämmerung zu einer Wasserstelle, um seinen Durst zu stillen, seine Haut mit nassem Schlamm zu bedecken, um sich genüsslich abzukühlen.
So konnte es den Tag zufrieden mit sich selbst ausklingen lassen.
Das war für es der Höhepunkt am Ende eines langes Tages.
Es hätte sich niemals vorstellen können, dass es jemals anders sein würde und dass es den Weg zu seiner geliebten Wasserstelle nicht mehr gehen würde.
Früher gab es viele von seiner Art, die das auch taten. Freunde, Eltern und Großeltern über lange Generationen.
Doch für sie war der Weg zu weit und beschwerlich geworden und sie suchten sich eine andere Wasserstelle.
Nur diese Nashorn nicht. Es wollte seine geliebte Wasserstelle nicht verlassen. Deshalb nannten es alle nur noch das dickköpfige Nashorn.
Eines Abends als es wieder auf dem Weg zu seiner geliebten Wasserstelle war, lag dort mitten auf seinem Weg ein dicker fetter Baumstamm. Das konnte doch nicht wahr sein.
„Nichts versperrt mir den Weg zu meiner geliebten Wasserstelle. Das wird dem Baumstamm noch leid tun,“ dachte es so bei sich.
Es nahm Anlauf und stürmte mit seinem Nashorn auf den Baumstamm zu. Immer wieder, mit voller Wucht.
Das ging über Wochen und Monate so. Das Nashorn war mittlerweile schon ziemlich am Ende seiner Kräfte und immer dann, wenn es kurz davor war aufzugeben, gab der Baumstamm ein wenig nach und es machte weiter. Schließlich war es das dickköpfige Nashorn. „ Wenn ich aufgebe, bin ich kein dickköpfiges Nashorn mehr und was bin ich dann?, fragte es sich des Öfteren.
Eines Tages kam ein anderes Nashorn auf dem Weg zur Wasserstelle vorbei und sah, wie das dickköpfige Nashorn immer wieder sein Horn gegen den Baumstamm rammte.
Und es fragte: „He, was tust du da?"
„Das siehst du doch“, fauchte das dickköpfige Nashorn, „Oder bist du etwa blind?
„Natürlich nicht, erwiderte das andere Nashorn, aber warum tust du das?“
„Warum ich das tue, fragst du?“ „ Du fragst mich alle ernstes, warum ich das tue?“
„Ja,“ antwortete das andere Nashorn. „Warum?“
„Weil ich zu meiner geliebten Wasserstelle will, das kann man doch wohl erkennen?“, gab es genervt von soviel Dummheit zur Antwort.
„Ja, Ja, “antwortete das andere Nashorn mit einem fragwürdigen Blick, wenn man etwas genauer hinschaut, vielleicht schon.“ Aber warum läufst du nicht einfach um den Baumstamm herum?
„Um den Baumstamm herumlaufen?“ schrie das dickköpfige Nashorn heraus.
„Ja“ sagte das andere Nashorn gelassen, aber etwas irritiert über die ganze Aufregung des dickköpfigen Nashorns.
„Weil ich diesen Weg zu meiner geliebten Wasserstelle immer so gegangen bin.
Ich lasse mich doch nicht von einem dummen fetten Baumstamm davon abhalten. Schließlich bin ich das dickköpfige Nashorn.
Und dickköpfige Nashörner machen das so, ich bin das letzte dieser besonderen Art.“ gab es mit stolz zurück.
„Tja“ erwiderte das andere Nashorn unbeeindruckt. „So wie es aussieht, mag das wohl sein. Aber zu welch einem Preis? Schau dich an! Du hast eine riesige Beule am Kopf, die schon größer ist als der kleine Stummel, den du wahrscheinlich noch Nashorn nennen würdest, dein Körper sieht ziemlich geschunden aus und deine Haut ist schon ganz ausgetrocknet und rissig. Und Freunde hast du wohl auch schon lange keine mehr, so wie es aussieht.
Ist dir das die Sache wirklich wert?“
„Ja, aber natürlich. Sonst würde ich es ja wohl kaum machen, sagte das Nashorn sichtlich entrüstet. Schließlich bin ich das dickköpfige Nashorn und das lässt sich bekanntlich von nichts aufhalten.
Das andere Nashorn schwieg eine kurze Weile, sah sich den Baumstamm genau an und sagte schließlich: „Es ist nicht der Baumstamm, der dich aufhält, der liegt doch nur hier herum. Du bist es, der sich von dem Baumstamm aufhalten lässt.
Lass uns doch gemeinsam um den Baustamm herumgehen, trinken, unsere Haut mit nassen Schlamm bedecken und uns genüsslich abkühlen. So können wir den Tag zufrieden mit uns selbst ausklingen lassen.
Das dickköpfige Nashorn konnte es kaum glauben. Sollte es wirklich so einfach sein?
Hatte er sich all die Wochen und Monate umsonst so geplagt? fragte es sich kopfschüttelnd und ziemlich fassungslos.
Plötzlich fing das dickköpfige Nashorn an, laut los zu lachen, es drehte sich herum und sagte immer noch lachend: Was war ich doch für ein Dickkopf. Komm mein Freund, lass uns baden gehen, es ist höchste Zeit."
Ihr Lieben,
es gab Zeiten in meinen Leben, da hat mein Handeln auch dem des dickköpfigen Nashorns geähnelt, das gebe ich zu.
"Was Du angefangen hast, musst Du auch zu Ende bringen!"
"Das haben wir schon immer so gemacht!"
Solche Sprüche hatte ich zu Hause gelernt und sie waren mir in Fleisch und Blut übergegangen.
Inzwischen habe ich gelernt, dass sich viele Hindernisse dadurch überwinden lassen, dass man sie einfach umgeht, statt sie unter großer Kraftanstrengung mühevoll zu beseitigen.
Euch und Euren Kindern und Enkelkindern wünsche ich wunderbare sonnige Tage ohne Hindernisse und mit ganz viel Zeit füreinander und mit ganz viel Spaß miteinander und ganz viel Zuvertrauen zueinander.
Ganz liebe herzliche Grüße
Euer Werner vom Weserstrand
3080 Geschichten
Ich wünsche jeder Leserin und jedem Leser recht viel Freude beim Lesen der Geschichten und ich hoffe, dass Euch die Geschichten ein wenig ermutigen und Euch veranlassen, niemals aufzugeben, denn denkt bitte immer daran:
Ihr seid etwas Besonderes, Ihr müsst nur Eurer Licht zum Leuchten bringen
Euer fröhlicher Werner aus Bremen
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